HOFLADEN, DIREKTVERKAUF, REGIONALWIRTSCHAFT
11. September 2022
Katja Merki & Werner Müller im Gespräch
am Seminar mit Ralf Otterpohl, Stetten AG vom 28. August 2022
Wir, Katja und mein Partner Werner, kommen aus dem Raum Schaffhausen, genau aus Wilchingen im Klettgau. In letzter Zeit haben wir uns mit Fragen beschäftigt wie: „Wie kommen die Produkte der Bauern zu den Konsumenten? Und wie können wir die Lücke zwischen Produzenten und Konsumenten schliessen?“ Genau dafür haben wir uns, eine Gruppe von Menschen, eingesetzt.
Bei uns vor Ort gibt es einen Bauern, der bei sich auf dem Hof einen Hofladen 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche geöffnet hat. Jederzeit kann dort eingekauft werden, der Betrag wird bar ins Kässeli gelegt oder per Twint bezahlt. Dieser Bauer kam dann auf die Idee, näher zu den Menschen gehen zu wollen, um die Distanz zwischen sich und den Käufern zu verringern. So hat er im Dorf einen kleinen Laden eingerichtet, um dort zweimal in der Woche sein Gemüse zu verkaufen. Nach einem halben Jahr hat er jedoch realisiert, dass er nicht alles machen kann. Seine Kernkompetenz ist der Gemüseanbau auf dem Feld. Er oder seine Frau konnten nicht einfach auch noch im Laden stehen, auch waren sie gerade junge Eltern geworden. Diese Lösung funktionierte also nicht.
Die Gefahr bestand sehr reell, dass dieser Laden wieder verloren gehen würde. Die Architekten, die für den Umbau des Hauses und die Einrichtung des Ladenlokals zuständig waren, haben dann, als sie vom Problem erfuhren, eine Frau kontaktiert, die innerhalb der Region in einer Vernetzungsgruppe einen Aufruf gemacht hat. Aus dieser Gruppe haben sich einige Menschen gefunden, die begonnen haben, den Laden gemeinsam zu betreiben.
Dazu haben wir einen Verein gegründet, der mittlerweile über 25 bis 30 Aktivmitglieder verfügt. Innert sechs Wochen haben wir den Laden aufgebaut und vermarkten jetzt dort die Erzeugnisse der Bio-Produzenten aus der Umgebung. Was wir in der Region nicht bekommen, beschaffen wir überregional. Beispielsweise haben wir in der Region keinen Ziegenhalter mehr, und es gibt niemanden mehr, der Schafmilchprodukte in Bio-Qualität herstellt. Für solche Produkte gehen wir mangels lokaler Angebote über unsere Region hinaus.
Jetzt sind wir daran, diese Verkaufsplattform zu festigen und auszubauen. Unter rein wirtschaftlichen Aspekten trägt sich das derzeit nicht, und deshalb kommt eine Genossenschaft nicht in Frage. Die Margen sind zu klein, Ertrag bleibt keiner hängen. Derzeit sind wir so aufgestellt, dass unsere Aktivmitglieder den Laden führen und jeden Monat einen Beitrag an die Fixkosten leisten. Als eine Art Gegenleistung oder Dividende können sie bei uns günstiger einkaufen.
Es dürfen auch Menschen ausserhalb des Vereins bei uns einkaufen, Nicht-Mitglieder zahlen die normalen Handelspreise. Wir erhoffen uns nicht zuletzt dank unseres grossen Engagements in Bezug auf Arbeitseinsatz und Aufklärung der Menschen in der Region, dass dieses Modell angenommen wird und wächst.
Kürzlich haben wir unser Projekt, das aus Bistro und Laden mit regionalen Produkten und Handwerk besteht, in der Region einer Gruppe Interessierter vorgestellt. Ein Teilnehmer sagte nach der Präsentation: „Wenn es mal bei Migros und Coop eng wird und wir dort nichts mehr bekommen, können wir dann bei Euch einkaufen.“ „Wenn es uns dann noch gibt“, war unsere Antwort.
Es findet ein nur langsames Umdenken in der Gesellschaft statt. In diesem Spannungsfeld brauchen wir einen langen Atem, um den Bistro-Laden weiterzuführen, auch wenn es derzeit noch nicht breiter unterstützt und genutzt wird. Es wäre wirklich schön, wenn das Projekt jetzt unterstützt wird und nicht erst, wenn es Not gibt. Es geht uns nicht darum, Geld damit zu verdienen. Wir machen das im Moment alle in Fronarbeit, weil es Freude macht und wir eine gute lokale Lebensmittelversorgung möchten.
Plötzlich kam eine Mitteilung, worin er ankündigte, dass ab kommender Woche die Gemüsekisten wie bisher nicht mehr möglich seien. Wir könnten inskünftig nur noch zwei Mal die Woche bestellen und nur noch für jeweils CHF 120.00 pro Bestellung bei ihm kaufen. Wir waren ratlos! Was tun mit Rüebli für CHF 120.00? Das ist eine grosse Menge, die nie umsetzbar ist. Wir verfügen auch nicht über Lagerräume, wo wir die Ware zwischenlagern könnten. Das war schlicht unmöglich.
Wir waren in Schockstarre vor Sorge, dass das Projekt jetzt bachab gehen könnte. Unter den neuen Bedingungen konnten wir das vergessen. Werner hat den Bauern dann angerufen und mit ihm gesprochen. Dabei kam heraus, dass er ein Problem hat: ihm fehlen Mitarbeiter, ihm laufen die Kosten davon, er könne das so nicht mehr stemmen. Im Gespräch haben sie gemeinsam eine Lösung gefunden. Wir packen jetzt selbst bei ihm im Hofladen das Gemüse ab, das wir für den Laden brauchen, schreiben es auf eine Liste, und jeweils Ende Monat bekommen wir eine Rechnung.
Wenn wir solche Projekte lancieren wollen, kommen wir nicht darum herum, uns von dem rein wirtschaftlichen Denken zu lösen. Gutes Wirtschaften ist sicher nicht schlecht, aber wenn es um unsere Lebensgrundlage geht, gerade auf lange Sicht gesehen, kann es in die falsche Richtung führen. Wir müssen die Lebensmittelversorgung wieder in die eigenen Hände nehmen.
Die Grossverteiler werden von uns nur noch für Produkte aufgesucht, die wir nicht selbst beschaffen wollen oder herstellen können oder die wir lokal nicht bekommen.
Wir haben grosses Glück, dass der Hausbesitzer, dem das Ladenlokal gehört, uns finanziell noch sehr entgegen kommt. Als Starthilfe verrechnet er uns im Moment lediglich die Nebenkosten. Damit stehen wir nicht so unter Druck, mit einem sinnvollen Projekt, wo wir jetzt genau schauen, wie sich das weiter entwickelt. Mit dem kleinen Bistro, in dem sich die Menschen treffen können, haben wir den Bioladen bereits um ein Element erweitert. Wir wissen nicht, was daraus noch alles entsteht, aber wir lassen uns etwas einfallen.
Auch müssen die Menschen mal wieder an der Scholle riechen; dazu laden wir sie raus aufs Land ein. Sie brauchen Vergleiche, wie ein Rüebli mit hohem Brixwert schmeckt. In Japan werden die Produkte bereits zum Teil mit dem Brixwert (Einheit für Nährstoffdichte) ausgezeichnet. In Europa sind wir noch weit weg von diesen Tendenzen.
Oder wir zeigen, wie zum Beispiel eine Hors-sol-Tomate im Vergleich zu einer Demeter-Tomate schmeckt oder einer aus der regenerativen Landwirtschaft. Wenn die Menschen teilhaben am Geschmackserlebnis, dann wird vielleicht der Kippschalter oben im Kopf umgelegt. Das sind solche Dinge, die wir in dem Bildungsprogramm jetzt anstossen, damit die Menschen wieder lernen, was echte Lebensmittel sind.
Ausserdem haben wir eine Manufaktur eingerichtet, wo wir selber hochwertige Produkte herstellen. Diese Produkte, die es sonst nirgendwo zu kaufen gibt, werden dann ebenfalls im Bioladen angeboten.
Wir sehen uns immer wieder der Frage ausgesetzt, warum Bio teurer ist. Eigentlich müsste der konventionelle Anbau teurer sein, weil die ganzen Folgekosten durch Bodenzerstörung und Schadstoffbelastung wie auch die „Gesundheitskosten“ auf die nächsten Generationen abgewälzt werden. Diese Kosten kommen in der Zukunft erst noch zum Tragen. Würde da eine Vollkostenrechnung gemacht werden, müssten die konventionellen Produkte viel teurer angeboten werden.
Die Leidenschaft für die Produkte und die Leidenschaft für das, was wir tun, ist ausschlaggebend. Wir sind im Aufbau und können nicht zuerst monetär denken. Viele denken zuerst ans Geld: was verdiene ich damit und lohnt es sich dann auch? Dies ist umzudrehen, es braucht eine andere Herangehensweise. Wenn das Herz bei unserem Projekt ist und die Leidenschaft, dann kommt das Geld von alleine.
BioLaden PudelWohl
Unterdorf 3
8222 Beringen
Katja Merki und Werner Müller
Telefon 079 676 40 33
info [@] bioladen-pudelwohl.ch
https://bioladen-pudelwohl.ch/
https://agapolis.ch/